1990 bis 1992

Aufbruch und Absturz

Nach 1990 ging es für Rot-Weiß im vereinten Fußballdeutschland wie für viele Traditionsclubs des Ostens bergab. Die letzte reguläre DDR-Oberliga-Saison 1989/90 beendete die Anfang der 80er-Jahre mit so vielen Hoffnungen gestartete Mannschaft auf einem enttäuschenden Tabellenplatz 11. Doch im Herbst 1989 mit Friedlicher Revolution und Mauerfall beschäftigten andere Themen die Menschen auch in Erfurt. Der Zuschauerschnitt fiel so gegenüber der Saison 1988/89 von gut 8.000 auf 5.500. Zugleich musste sich der Fußballclub von den staatlich gelenkten Strukturen der DDR-Zeit auf die völlig neue Welt des westdeutschen Profifußballs umstellen.

Zunächst sah es allerdings nach einem überraschenden Aufbruch aus. RWE konnte sich in der Oberliga-Saison 1990/91, die unter dem neuen nordostdeutschen DFB-Regionalverband als NOFV-Oberliga firmierte, für die 2. Bundesliga qualifizieren. Im letzten Spiel am 25. Mai 1991 erreichte die Mannschaft gegen Stahl Brandenburg dank des Siegtreffers von Zbigniew Fabiński zum 2:1 in der 70. Minute den 3. Tabellenplatz. Der Jubel der 11.100 Zuschauer, die nach dem Schlusspfiff den Platz stürmten, war groß. Am Ende lag man nur einen Punkt hinter Dynamo Dresden und vier hinter Meister Hansa Rostock, die in die Bundesliga aufstiegen. Das war das beste Ergebnis seit der Turbine-Meisterschaft 1955.

Zunächst begann die neue Saison 1991/92 mit einer umbenannten Heimspielstätte: Aus dem Georgij-Dimitroff-Stadion war nach längerer Namenssuche im August 1991 das Steigerwaldstadion geworden. Aber nur wenige Fans dürften zu diesem Zeitpunkt geahnt haben, wie rasch und gründlich die Euphorie verfliegen sollte. Die Saison 1991/92 in der 2. Bundesliga Staffel Süd wurde zum regelrechten Fiasko. Am Ende landete die Mannschaft mit 17:47 Punkten und einem Torverhältnis von –39 auf dem letzten Platz. Der 13. August 1991 bildet dabei einen der Tiefpunkte der Vereinsgeschichte. Der spätere Erfolgstrainer Jürgen Klopp erzielte beim 5:0 des 1. FSV Mainz 05 in Erfurt vier Tore – Presseschlagzeile: Von Klopp gab‘s Kloppe.

Immerhin konnten sich die Fans über die bisher einzige Teilnahme am UEFA-Pokal 1991 freuen. Dort schlug sich das Liga-Schlusslicht überraschend gut. Gegen den niederländischen FC Groningen, mit dem den Verein bis heute eine Freundschaft verbindet, wurde sensationell mit zwei 1:0-Siegen (A 18.09. / H 02.10.) die nächste Runde erreicht. Anteil daran hatte nicht zuletzt der beliebte Torhüter Péter Disztl mit einem gehaltenen Elfmeter und zahlreichen Paraden. Gegen Ajax Amsterdam gab es hierauf mit 1:2 und 0:3 (H 23.10. / A 06.11.) achtbare Ergebnisse als Zweitligist gegen einen europäischen Spitzenclub. Die Resonanz in den Heimspielen war allerdings mit 4.000 und 6.100 ernüchternd. Noch ein Jahr zuvor hätte man mit einem ausverkauften Stadion rechnen dürfen.

Zu Saisonbeginn am 17. August 1991 hatten noch 14.000 Zuschauer das 2:1 im DFB-Pokal gegen Bundesligist Schalke 04 gesehen. Dabei rückte Thomas Linke in den Fokus, der ab 1992 bei Schalke, Bayern und in der Nationalmannschaft große Karriere machte. Später schafften weitere RWE-Eigengewächse den Sprung in Oberhaus, Europapokal und Nationalmannschaft. Für die vorbildliche Nachwuchsarbeit steht allen voran der gebürtige Erfurter Clemens Fritz, der ab 2001 in Karlsruhe (zusammen mit Marco Engelhardt), Leverkusen und Bremen große Erfolge feierte. Freilich zeigt dies auch das Dilemma, dass der FC Rot-Weiß Erfurt als „Ausbildungsverein immer wieder talentierte Spieler an höherklassige Vereine abgeben muss.


Text: Dr. Steffen Raßloff, Dr. Michael Kummer

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